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Das Slowenische –
historisch die erste, heute die zweite Landessprache Kärntens

 von Heinz-Dieter Pohl

1. Allgemeines

Der Begriff „Landessprache“ ist kein Rechtsbegriff, sondern die Bezeichnung für die „Sprache, die von (dem überwiegenden Teil) der Bevölkerung gesprochen wird“ 1 . So gesehen ist auf den ersten Blick Deutsch die Landessprache in Kärnten. In den österreichischen Gesetzen, die den amtlichen Gebrauch von Sprache regeln, wird immer der Begriff „Amtssprache“ verwendet. Grund­sätzlich ist Deutsch in der gesamten Republik Österreich Amtssprache, wird also in der Verwaltung, im Schulwesen, bei Gericht, beim Bundesheer, im öffentlichen Verkehr usw. verwendet.

Aus dem Artikel 7 des Staatsvertrages 2  und dem so genannten Volksgruppen­gesetz 3  geht hervor, dass in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens mit slowenischer und gemischter Bevölkerung das Slowenische zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen ist. Darüber hinaus ist das Slowenische auch im Schulwesen präsent (zweisprachiger Unterricht in der Volksschule, slowenisches Gymnasium usw.) und viele Ortschaften führen je einen deutschen und slowenischen amtlichen Namen.

Daraus folgt, dass dem Slowenischen in Kärnten der Charakter einer zweiten offiziellen Sprache – als zusätzliche Amts- und Unterrichtssprache neben dem Deutschen – zukommt, wenn dies auch nur für einen (relativ kleinen) Teil des Bundeslandes zutrifft. Wenn man nun Deutsch als „Landessprache“ bezeichnet, wird es zur „ersten Landessprache“, das Slowenische folglich zur „zweiten Landessprache“. Diese beiden Bezeichnungen sind – wie eingangs erwähnt – keine Rechtstermini, sie treffen aber aus sprachwissenschaftlicher Sicht zu, zumal die Kärntner Sprach­landschaft in ihrer Gesamtheit deutsch und slowenisch geprägt ist, was übrigens auch für andere Bundesländer bzw. Teile von diesen zutrifft, ohne dass es dort heute noch einen slowenisch- bzw. gemischtsprachigen Bevölkerungs­anteil gibt.

2. Doch noch immer ein Konflikt …

Noch immer ist der Kärntner Ortstafelkonflikt in aller Munde – eine, wie es scheint „unendliche Geschichte“ – und das 90 Jahre nach der Volks­ab­stimmung vom 10. Oktober 1920! Damals stimmte man in Kärnten über ein gemeinsames Zusammenleben zweier Sprachgemein­schaften oder über die Trennung nach nationalen Gesichtspunkten ab. Ein großer Teil derer, die bei der Volkszählung 1910 Slowenisch als Umgangs­sprache angegeben hatten, sprach sich damals für eine gemeinsame Heimat (slowenisch: skupna domovina)aus. Dieser Volksabstimmung sind fast zwei Jahre Besetzung (ab Ende 1918) durch die Jugoslawen und kriegerische Auseinandersetzungen (Höhepunkt der „Kärntner Abwehr­kampf“ im April/Mai 1919) vorhergegangen und sie war daher im Zuge der Friedens­verhandlungen von St. Germain (bei Paris) für das slowenische bzw. gemischtsprachige Gebiet Unterkärntens unter dem Eindruck der Kämpfe und nach dem Besuch des späteren Abstimmungs­gebietes durch eine Kommission („Miles-Mission“) im Sinne des von Präsident Wilson zur Grundlage seiner Friedenspläne erhobenen „Selbstbestimmungsrechtes der Völker“ vereinbart worden. Im südöstlichen Kärnten (v.a. Rosen- und Jauntal, Klagenfurter Becken) wurden zwei Abstimmungszonen eingerichtet. In der Zone I wurde zuerst abgestimmt; wäre das Ergebnis zugunsten Jugoslawiens ausgefallen, hätte man anschließend auch in der Zone II (v.a. Klagenfurt, Maria Saal, Pörtschach, Velden) abgestimmt, doch dazu kam es bekanntlich nicht.

Rein formal war die Abstimmung am 10. Oktober 1920 nicht zwischen „deutsch“ und „slowenisch“, sondern zwischen „Öster­reich“ und „Jugo­slawien“ (offiziell: Kraljevi­na Srba, Hrvata i Slovenaca – SHS bzw. Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) und untrennbar damit verknüpft die Frage der Landeseinheit: die Stimme für Österreich bedeutete deren Erhaltung, die Stimme für Jugo­slawien den Vollzug der Teilung des Landes Kärnten (daher hieß es immer wieder, u.a. auf einem Flugblatt vom 28.9.1920: Für ein freies und ungeteiltes Kärnten). Einer solchen Teilung versagte jedoch nicht ganz die Hälfte derer, die bei der Volkszählung 1910 Slowenisch als Um­gangssprache angegeben hatten, ihre Zustimmung:

(Zone I) 

Volkszählung 1910:     68,6 % slowenische / 31,4 % deutsche „Umgangssprache“

10. Oktober 1920:      59 % gültige Stimmen für Österreich / 41 % für Jugoslawien

Rein rechnerisch müssen (um auf 59 % für Österreich zu kommen) neben den 31,4 % Deutschsprachigen rund 27,6 % Slowenischsprachige für Österreich gestimmt haben, das sind rund 40 % von ihnen laut Volks­zählung 1910 – oder fast jeder zweite. Ein solches Ergebnis lässt viele Deutungen zu, sie füllen ganze Bücherschränke und können hier nicht wiederholt werden. Aber eine Erklärung verdient es, hervor­gehoben zu werden (sie wird sonst nur am Rande erwähnt): das Volksabstimmungs­ergebnis war bei einem Teil der Kärntner Slowenen ein pragmatischer Sieg über die nationalen Leiden­schaften im Zuge des Auseinanderbrechens des „Völker­kerkers“ Österreich-Ungarn: für einen großen Teil der slowenischen bäuerlichen Bevölkerung des Kärntner Unterlandes war der Verbleib in einem ungeteilten Land Kärnten mit freiem Zugang zu den Wirtschafts­zentren Klagenfurt und Villach eben attraktiver als das Grenzgebiet eines unter serbischer Vorherrschaft stehenden Jugoslawien zu werden.

So gesehen war der 10. Oktober 1920 ein bemerkenswertes Datum – an den historischen Fakten sowie an den sprachlichen und kulturhistorischen Gegebenheiten hat er zunächst nichts geändert, denn in Kärnten gab es immer schon, bereits vor seiner Errichtung als Herzogtum im Jahre 976, beide Sprachen, wobei das Alpenslawische oder „Karantanische“ (Vorläufer der modernen slowenischen Sprache) sogar früher da war als das Althochdeutsche, auf dem die modernen (südbairischen) Kärntner Mundarten beruhen. Einst nannte man im Deutschen die slowenische Sprache „windisch“, diese Bezeichnung ist zwar heute obsolet geworden, sie ist aber als solche sowohl in den Beschreibungen der Herzogseinsetzung beim Fürstenstein in Karnburg bezeugt als auch in der Bezeichnung „Windisches Herzogtum“ im 16. Jhdt., mit der sich Kärnten im Zeitalter der Reformation selbstbewusst benannte. 4  Der slowenische Bezug zur Herzogseinsetzung ist heute noch im Ortsnamen Blasendorf, dem Wohnsitz des „Herzogbauern“, erkennbar, der bei dieser Zeremonie eine bedeutende Rolle spielte, enthält doch dieser Name ein altes slowenisches Wort für „Richter, Verwalter oder Edling“ 5  – Hinweis auf die Verschränkung beider Sprachen in Kärnten seit Anbeginn und Erklärung dafür, welch starke emotionale Bindung der Fürsten­stein für das Slowenentum hat – bis hin zu seiner Verwendung auf der slowenischen Zwei-Euro-Cent-Münze. 6 

3. Die slowenische Sprache in Kärnten

Es ist wenig bekannt, dass die Wiege der slowenischen Sprache eigentlich im alten Karantanien, also in Kärnten liegt. Dies steht in einem fundamentalen Widerspruch zum weit verbreiteten Stereotyp, das man immer wieder zu hören bekommt, dass man früher in Kärnten „windisch“ sprach und nicht „slowenisch“, das erst durch die Schule gleichsam von Krain aus „importiert“ worden sei. Tatsache ist hingegen, dass die sogenannten „Freisinger Denkmäler“ zwischen 972 und 1039 (vermutlich) in Ober­kärnten entstanden sind und nicht nur das älteste Zeugnis der slowenischen Sprache darstellen, sondern überhaupt einer slawischen Sprache in lateinischer Schrift. Die „Orthographie“ entspricht weitgehend der in den urkundlich bezeugten Ortsnamen „karantanischer“ Herkunft verwendeten Schreibung und lässt vermuten, dass man – so gut es eben ging – die einzelnen Buchstaben für slawische Laute nach (ober)deutschem Vorbild verwendet hat. Auch die Lautformen der ältesten urkundlichen Belege lassen erkennen, dass es sich um die gleiche Sprache handelt. 7  Jüngere Lautformen in manchen erst spät bezeugten Namen zeigen, dass in vielen heute rein deutschsprachigen Gegenden die slowenische Sprache sich noch lange gehalten haben muss. 8  Dass diese im Mittelalter (also noch vor der Reformation) gelegentlich auch im Schrifttum verwendet wurde, bezeugt die sogenannte „Klagenfurter Handschrift“. 9  

Doch erst im 19. Jhdt. entwickelte sich ein slowenisches Nationalbewusstsein und es entstand der Gedanke, alle slowenischen Länder verwaltungsmäßig zusammen­zufassen, freilich im Rahmen der Mon­archie, was aber eine Teilung des Lan­des Kärnten bedeutet hätte, der sich selbst auch führende Kärntner Slowenen widersetzt haben (z.B. der Abgeordnete zum Kärntner Landtag Dr. Matthias Rulitz). Unter den Kärntner Slowenen kam es somit gegen Ende des 19. Jhdts. zur Heraus­bildung zweier Lager: eines nationalen und eines nichtnationalen bzw. deutschfreundli­chen. Ersteres stimmte am 10. Oktober für Jugo­slawien, letzteres für Österreich (gemeinsam mit jenen Slowenen, die im SHS-Kö­nigreich ihre nationalen Träume nicht verwirklicht sahen) 10  – aber beide zusammen machen die slowe­nischsprachige Minderheit aus. Die nichtnationalen und daher als „deutsch­freundlich“ bzw. „Kärnten-treu“ oder „Österreich-bewusst“ geltenden Slowenen wurden schon vor dem 1. Weltkrieg „Windische“ genannt und nannten sich z.T. auch selbst so; zu einem Politikum wurden diese „Windi­schen“ erst seit den Zwanziger Jahren. Sie sind aber eindeutig (sprachlich gesehen) Slowenen („Sprachslowenen“), bekennen sich aber nicht ausdrücklich zum slowenischen Volks­tum, v.a. politisch nicht. Die Mundarten dieser beiden Gruppen unterscheiden sich nicht voneinander; Unterschiede zwischen beiden Gruppen ergeben sich nur durch die Kenntnis der slowenischen Schriftsprache, die jenen Personen fehlt, die Schulunterricht und höhere Bildung nur auf deutsch erhalten haben. Diese Gruppe dürfte bei der Volks­abstimmung 1920 den Ausschlag gegeben haben, so dass diese für Österreich günstig ausgegangen ist. In der Folge wurden sie vom damaligen Kärn­ten als „Heimattreue Slowenen“ bezeichnet, von der slowenischen Presse aber „Renegatenfi­guren“ genannt. 11  Dies muss man wissen, um die Hintergründe richtig verstehen zu können, wenn es um die so genannte „Windischen-Theorie“ geht. Diese wurde (spätestens) in der nationalpolitischen Ausein­andersetzung der 20er Jahre geboren, indem man bei der Erklärung des Verhal­tens von rund 40% der ab­stimmungsberechtigten Kärntner Slowenen am 10. Oktober 1920 ethnische, sprachli­che, bewusstseinsbildende und soziologische Kriterien miteinander vermengte – vor allem in der Tagespolitik.

Mit der „Windischen-Theorie“ ist automatisch auch die Frage ver­knüpft, ob das „Windi­sche“ etwa eine vom Slowenischen verschiedene Sprache sei. Weit verbreitet ist die Ansicht, die Sprache der „Windi­schen“, Windisch, sei eine deutsch-slowenische Mischsprache, die mit der „landfremden“ slowenischen Schriftsprache nichts zu tun habe – eine kühne Behauptung, ist es doch in zweisprachigen Regionen und Gesell­schaften die Regel, dass die bodenständige Volkssprache von der überregionalen Staats- und/oder Verkehrssprache massenhaft Lehnwörter und Einflüsse bezieht. 12  Entscheidend ist aber die Gramma­tik: die Grammatik des „Windischen“ ist die slowenische, identisch sind auch Hilfswörter und Grundwortschatz. Aus sprach­planerischen und -ästhetischen Gründen mag man Fremdein­flüsse als etwas Negatives betrachten 13  – linguistisch gesehen sind sie normal und natürlich. Eine zwei­sprachige Gesellschaft wäre arm, wenn es keine Sprachgrenzen überschreitende Kommunikation gäbe, die einmal zu Lasten der einen (dem Slowenischen in Kärnten bis heute), ein anderes Mal zu Lasten der anderen (dem Deutschen in Krain bis 1945) ge­hen  kann. Eine solche linguisti­sche Feststellung darf aber nicht dazu verleiten, die eine Sprache, weil größer und mächtiger, als „wichtig“ oder „höherwertig“ einzuschätzen, die andere Sprache, weil kleiner und weniger durchschlagkräftig, als „unbedeutend, regional“ zu betrachten, denn jede Sprache, egal ob „klein“, ob „groß“, ist ein Stück Menschheits­geschichte und Teil des kulturellen Erbes, das zu bewahren lohnt. Aber einmal eingetre­tener Sprachwechsel ist (leider) unumkehrbar, er ist mit einem Verlust an kultureller Identität verbunden und führt nicht sofort zum Aufgehen in einer neuen Identität: dies dauert meist eine Generation. Personen im status assimilationis wären noch in der Lage, unter entsprechenden Bedin­gungen ihrer Muttersprache treu zu bleiben. Wenn in zweisprachi­gen Gebieten Ver­schiebungen von der einen zur anderen Sprache zu beobachten sind, zeigt dies ganz besonders deutlich, wie verbunden beide Sprachen sind, gehören sie doch zum historischen Erbe der Region. Hier ist im Falle Kärnten für „Windisch“ als eigene Sprache, auch als „Mischsprache“, kein Platz: das Erbe kann nur „deutsch“ oder „slowe­nisch“ sein, beide sind konstitutiv und historisch gewachsen. „Windisch“ er­scheint als ein soziologisch und linguistisch nur schwer fassbarer vorübergehender Zustand, der an Einzelpersonen oder einzelne Fa­milien (die sich im status assimilationis befinden) gebunden ist, nicht aber an gefühlsmäßig zusammengehörige (ethnische) Gruppen.

Kärnten war also immer schon zweisprachig, allerdings ist der Personenkreis der zweisprachigen Einwohner im Laufe der Zeit kontinuierlich und seit rund 100 Jahren sprunghaft kleiner geworden. Schon vor 400 Jahren stellte im Zeitalter des Humanismus M.G. Christalnick fest: „es haben sich die die windischen Khärndter mit den deutschen Khärndtern also gewaltiglich vereinigt, das aus ihnen beyden einerley volck ist worden“. Dieses „einerlei Volk“ hörte in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. auf zu existieren und man könnte in Anlehnung an Genesis 3,7 (nachdem Adam und Eva vom Baum die verbotene Frucht gegessen hatten: „dann wurde ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren“) feststellen: im 19. Jhdt. wurde den neuzeitlichen Karantanen plötzlich klar, dass sie zwei Sprachen sprechen und folglich zwei verschiedenen Völkern angehören. Damit hatte auch in Kärnten der sprachorientierte Nationalismus mit allen seinen unangenehmen Begleiterscheinungen Einzug gehalten; dieser lieferte schließlich den ideologischen Rahmen zum deut­schen „Kärntner Abwehrkampf“ bzw. zum slowenischen „Kampf um die Nordgrenze“. Eine Spätfolge davon – allerdings in abgeschwächter Form – ist der „Kärntner Ortstafelkonflikt“.  

4. Gemeinsames Kulturgut – die Ortsnamen

Vor dem „nationalen“ Zeitalter gab es jedoch eine gemeinsame Geschichte, die sich u.a. auch in einem gemeinsamen Namengut widerspiegelt. Die ersten Kärntner im engeren Sinn des Wortes benannten beispielsweise (slowenisch) Gorje / (deutsch) Göriach nach seiner Lage ‘die auf dem Berg wohnen’ und Bistrica / Feistritz nach einem reißenden Bach. Slowenische Namensformen wie Pliberk (= Bleiburg) oder Bekštanj (= Finkenstein) sind aus dem Deutschen bezogen. Die Ortsnamen gewähren somit Einblick in die Siedlungsgeschichte, einmal waren bei der Namengebung Deutsche, ein anderes Mal Slowenen aktiv, die Namen gingen von Mund zu Mund, d.h. von einer Sprache zu anderen, und oft wurden Objekte unabhängig voneinander verschieden benannt wie z.B. deutsch Hart ‘Sumpfwald’ ~ slowenisch Breg ‘Ufer, Böschung’ (Gemeinde Neuhaus) oder übersetzt, z.B. deutsch Aich = slowenisch Dob (‘Eiche’, Gemeinde Bleiburg). Auch in seit Jahrhunderten rein deutsch­sprachigen Gebieten finden wir solche Namenpaare: sowohl in der Gemeinde Großkirchheim als auch in der Gemeinde Bad Kleinkirchheim ist in den Ortsteilen Zirknitz bzw. Zirkitzen das slowenische Wort für ‘Kirche’ (cerkev, in den Freisinger Denkmälern *cirkev) enthalten. Manchmal ist die slowenische Übersetzung früher überliefert als die heutige Form wie z.B. 993 Podinauuiz (das wäre heute Spodnja vas) für heutiges Niederdorf (Bezirk St. Veit a.d. Glan).

Zur historisch gewachsenen Kärntner Namenlandschaft ist festzustellen:

  • einen Teil der Namen haben Baiern und Slawen von der keltisch-romanischen Vorbevölkerung übernommen;
  • die übrigen Namen (der größte Teil) sind bairischer, also deutscher, und slawischer, also slowenischer Herkunft (wobei der prozentuale Anteil von Namen deutscher bzw. slawischer Herkunft regional recht verschieden ist).

(ad 1)   Zu diesen Namen gehören v.a. Gewässernamen, die überhaupt das älteste onomastische Material repräsentieren, sowie einige Siedlungsnamen und der Name des Landes Kärnten selbst. Alle großen Flüsse Kärntens gehören hierher (Drau, Gail, Gurk, Lavant usw.), ferner die Tauern, das Katsch-, Jaun- und Gitschtal, und einige Siedlungsnamen (z.B. Villach). Auch Spuren einer Romanität lassen sich nachweisen (Irschen, Federaun, Egel, Kotschna usw.).

(ad 2)   Hier ist zu unterscheiden zwischen:

1.1       etymologisch deutschen Namen,

1.2       etymologisch slawischen Namen,

1.3       Übersetzungsnamen (also Namen, die sowohl zu 1.1
           als auch zu 1.2 zu zählen wären),

1.4       etymologisch weder deutschen noch slawischen Namen (die aber dennoch meist von der einen der anderen Sprache vermittelt worden sind);

2.1       im Deutschen gebrauchten Namen,

2.2       im Slowenischen gebrauchten Namen,

wobei sich zwischen 1 und 2 kaum eine klare und eindeutige Beziehung herstellen lässt.

Betrachten wir zunächst einige Beispiele:

1.1    Feldkirchen, Bleiburg, Aich,

1.2    Ferlach, Friesach (die meisten Namen auf -ach waren
        ursprünglich Lo­ka­tive von Einwohnernamen, in unseren
        Beispielen ist slowenisch borovje ‘Föhrenwald’ und breza
        ‘Birke’ enthalten),

1.3     Aich ~ Dob ‘Eiche’,

1.4      Villach;

2.1     Feldkirchen, Bleiburg, Aich, Ferlach, Friesach,
         Villach, Globasnitz
,

2.2     Trg, Pliberk, Dob, Borovlje, Breže, Beljak, Globasnica.

Es zeigt sich also, dass es (unbeschadet der Etymologie) grundsätzlich im Deutschen und Slowenischen jeweils eigene Bezeichnungen (verschiedene Namen) für ein und dieselbe Ortschaft gibt:

            (deutsch)  Feldkirchen (slowenisch)  Trg
  Bleiburg   Pliberk
  Aich   Dob
  Ferlach   Borovlje
  Friesach   Breže
  Villach   Beljak
  Globasnitz   Globasnica

Daraus folgt, dass Etymologie und Sprachgebrauch zwei grundverschiedene Dinge sind. In gemischtsprachigen Gebieten (inkl. der nächsten Umgebung) verhält es sich grund­sätzlich so, dass es für jeden Namen zwei Formen gibt, die sich unerheblich voneinander (z.B. deutsch Globasnitz vs. slowenisch Globasnica) unterscheiden können bis hin zum Gebrauch zweier grundverschiedener Wörter, die auch semantisch nicht miteinander übereinstimmen (z.B. deutsch Feldkirchen vs. slowenisch Trg, letzteres bedeutet ‘Markt’). Sonst gibt es meist nur für allgemein bekannte Namen zwei Formen (z.B. deutsch Wien, Laibach vs.slowenisch Dunaj, Ljubljana),während die übrigen Namen in ihrer Originallautung (und -schreibung), allerdings phonetisch angepasst, übernommen werden.

Dass zwischen 1 und 2 keine oder nur eine sehr oberflächliche Beziehung herzustellen ist, zeigen auch die beiden Namen deutsch Tauern und Völkermarkt bzw. slowenisch Tur(j)e und Velikovec. Der Name der Tauern (Hohe und Niedere Tauern) ist ein altes Substratwort (*taur- ‘Berg’ > ‘Bergpass, Übergang’), das im Althoch­deutschen Tûro (mittelhochdeutsch Taur-) gelautet hat. Der Ossiacher Tauern heißt auf Slowenisch Osojske Ture, volkstümlich einfach Turje, so heißt slowenisch auch der Turia-Wald (südlich vom Keutschacher See); diese beruhen jedoch auf dem gemein­slawischen Wort tur- ‘Bodenschwellung, ableitiger Hügel’ (neben anderen Bedeutungen) und beide liegen außerhalb des „eigent­lichen“ Tauerngebietes in Unterkärnten. Der Turia-Wald ist durch den Hofnamen ad Tauru, ad Taurn in Albersdorf bei Schiefling südlich des Wörthersees bereits sehr früh belegt (9. Jhdt.), auch der Ossiacher Tauern ist schon seit dem 12. Jhdt. urkundlich bezeugt. 14  Dazu kommt noch die einen abgekommenen Berg­namen enthaltende slowenische Benennung Pod Turjo (wörtlich ‘unter dem Tauern’) für Neuhaus an der Gail. Es lassen sich also beide Namensformen nur bedingt gleichsetzen. 15  Auf den ersten Blick scheint zwischen Völkermarkt und Velikovec ein engerer Zusammenhang zu bestehen, doch bei näherer Betrachtung besteht ein nur sehr entfernter. Zunächst: einem deutschen /f/ in Namen slawischer Herkunft entspricht im Slowenischen /b/ (vgl. slowenisch Bistrica, Bela, Bekštanj deutsch Feistritz, Vellach, Finkenstein),und tatsächlich, die slowenische mundartliche Form lautet etwa Belkovec 16 (genauer [bәlqówc bzw. blәqówc] 17 ), nicht (wie in der Hochsprache) Velikôvec oder -óvec. 18 

Wir haben also in den deutschen wie in den slowenischen Namen altes Erbgut vor uns, sie sind Teil unserer Geschichte. Sie zu vergessen würde einen schweren Verlust bedeuten, beide Namensformen, die deutsche und die slowenische, sind eng miteinander verbunden und ihre Geschichte ist unteilbar. Die Kärntner wissenschaftliche Tradition ist sich übrigens dieser Tatsache voll bewusst (bis zu manchen Politikern scheint sich dies aber noch nicht herumgesprochen zu haben):

Das kulturelle Profil einer Landschaft, ihre Eigenart, wird durch das bodenständige Namengut, ob nun deutsch oder slowenisch, mitbestimmt. Diese Quelle für die Siedlungsgeschichte und das eigene Selbstverständnis zu erhalten und zu schützen sollte Aufgabe nicht nur der Historiker, sondern auch der Geographen und Linguisten sein“. 19 

5. Sichtbares Symbol – die Ortstafeln

In gemischtsprachigen Gebieten hat also jedes geografische Objekt zwei Namen, wie sie in der jeweiligen Sprache eben üblich sind. Auch auf das Bundesland Kärnten (slowenisch Koroška) und seine Landeshauptstadt Klagenfurt (Celovec) trifft dies zu. Dies klar und deutlich darzulegen sollte eine der zentralen Aufgaben der Namenforschung sein, ohne sich dabei in politische Interessen verwickeln zu lassen. Die Onomastik wie auch die Sprachwissenschaft kann die Politik nur beraten, etwa in der Weise, dass sie die korrekten Schreibungen auf Grund der Überlieferungsgeschichte und/oder ortsüblichen Lautung für die Namen der Minderheit vorschlägt, nicht aber hinsichtlich politischer Entscheidungen wie die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln, um deren Anzahl in Kärnten immer wieder bzw. noch immer gestritten wird, oder den Geltungsbereich von Gesetzen, die den Gebrauch der Sprache(n) der Minderheit(en) (z.B. Aufschriften, Schulwesen u.dgl.) regeln.

Warum spielen also zweisprachige Ortstafeln in der Diskussion eine solch große Rolle? Weil sie einen hohen emotionalen und symbolischen Wert haben und zweisprachige Ortstafeln davon zeugen, dass es hier zwei Sprach­gemeinschaften gibt, die beide Teil dieses Landes sind und zu seiner Eigenart beitragen. Das Namengut Kärntens reflektiert – wie oben gezeigt – ein Jahrhunderte langes gemeinsames Zusammenleben, das beide Sprach­gemeinschaften verbindet, denn die slowenische Minderheit ist hier seit eh und je heimisch. Somit erzeugen zweisprachige Ortstafeln, Aufschriften, Schulunterricht usw. für diese das Gefühl in ihrer Heimat, in der gemeinsamen Heimat mit der Mehrheitsbevölkerung zu leben, ohne deshalb „fremd in der Heimat zu sein“, ein Gefühl, dass unweigerlich entsteht, wenn die Muttersprache in der Öffentlichkeit nicht sichtbar ist. Dies ist ein ganz wesentlicher, emotionaler Punkt, der in der alltäglichen Auseinandersetzung viel zu wenig beachtet wird. Hier geht es absolut nicht um territoriale Ansprüche, wie dies immer wieder herbeigeredet wird, sondern die Namen sind ein wichtiges Symbol der deutsch-slowenischen Symbiose in Kärnten, denn in gemischt­sprachigen Gebieten hat jedes Objekt zwei Namen – je einen in beiden Sprachen.

Daher ist das regionale Namengut zusammen mit der dieses wiedergebenden Sprachform als Hauptrepräsentant dessen zu bezeichnen, was man „immaterielles Kulturerbe“ nennt. Sprachwissenschaftlich spricht man bei Namen, die in verschiedenen Sprachen oder Dialekten auftreten, von Endonymen und Exonymen. Endonyme sind jene Namen, die in der Sprache (im Dialekt) der jeweiligen Region gebräuchlich, also einheimisch, bodenständig sind, Exonyme hingegen jene Namen, wie sie in anderen Sprachen für die entsprechenden Objekte gebraucht werden. So ist z.B. Wien das Endonym für Österreichs Bundeshauptstadt und  Ljubljana das Endonym für die slowenische Hauptstadt, slowenisch Dunaj, englisch und italienisch Vienna sind Exonyme für Wien, deutsch Laibach, italienisch Lubiana Exonyme für Ljubljana. In gemischtsprachigen Gebieten liegen im allgemeinen für alle geographische Objekte sowohl Exo- als auch Endonyme vor, z.B. in Kärnten Zell / Sele, Ludmannsdorf / Bilčovs, außerhalb des gemischtsprachigen Gebietes z.B. Eberstein / Svinec, Friesach / Breže, sonst nur für allgemein bekannte (wie z.B. für Rom und Athen). International werden unter gewissen Bedingungen nur Endonyme (u.a. bei Post und Bahn) oder Exonyme (z.B. im Flugwesen: nur englische Bezeichnungen für die Flughäfen) verwendet. In der Alltagssprache, aber auch in der wissenschaftlichen Literatur verwendet man im allgemeinen in der jeweils verwendeten Sprache die entsprechenden Exonyme für die einzelnen geographische Objekte, sofern sie allgemein üblich sind. So spricht man in deutsch geschriebenen Artikeln (in der Regel) von Marburg, Pressburg, Mailand und Warschau, von den Vogesen und dem Kaukasus und nicht von Maribor, Bratislava, Milano und Warszawa bzw. Vosges und Kavkaz. Lediglich veraltete (und belastete) Namensformen sind zu vermeiden oder nur in historischen Abhandlungen verwendbar, wie z.B. St. Veit am Pflaum für Rijeka (im alten Österreich Fiume) oder Morea für Peloponnes.

Jede Kulturlandschaft – nicht nur die österreichische, alpine, uns vertraute, sondern wohl weltweit – widerspiegelt in ihrem Namengut Geschichte und Gegenwart, diese in der Hinsicht, dass das Namengut in der (den) jeweiligen dominanten Sprache(n) festgehalten ist, jene in der Weise, dass im Namengut ältere sprachliche Zustände erhalten sind. Dies gilt in gleicher Weise für einsprachige und zwei- bzw. mehrsprachige Gesellschaften.

Die Pflege dieses Namenguts sollte keine volkstumspolitische, sondern ein kulturpolitische sein, die – auf Kärnten in Österreich bezogen – das Ortsnamengut slowenischer bzw. (alpen)slawischer Herkunft in Österreich ganz allgemein ins öffentliche Bewusstsein bringt. Zu diesem Zweck könnte ich mir neben den zahlreichen Naturlehrpfaden, Kultur­wanderwegen und Eisen- oder Barockstraßen auch ein vergleichbares allgemein bildendes namenkundliches Objekt vorstellen. Dies habe ich auch in meinem Vortrag Namen und Tourismus 20   vorgeschlagen. Als ich im Jahre 1986 in Kals am Großglockner zusammen mit meinem deutsch-amerikanischen Kollegen Karl Odwarka (unter Mitwirkung von Willi Mayerthaler) die „Kalser Namenkundlichen Symposien“ gründete, war nicht absehbar, was für ein Erfolg dies werde (im Jahre 2010 fand das 25. Symposium statt). Die Symposien sind in der Osttiroler Gemeinde so etwas wie ein Wirtschaftsfaktor geworden: mehr als 50 Gäste kommen alljährlich in der Vorsaison für durchschnittlich 3 Tage, dazu Studenten für in Kals stattfindende Exkursionen. Unter großem Interesse und mit Beteiligung der Bevölkerung haben wir in den ersten Jahren das gesamte Kalser Tal namenkundlich erhoben – Siedlungs-, Berg-, Flur-, Gewässer- und Hofnamen – und in rund 1200 Stichworten in der von mir herausgegeben Österreichischen Namenforschung publiziert. Es ist auch ein kleiner namenkundlicher Führer über Kals im Jahre 2001 erschienen, den die Gemeinde vorfinanziert hat und der sich gut verkauft. Die Sommergäste und Wintersportler haben sich schon immer gefragt, was so exotisch klingende Namen wie Spinnevitról (Schwundform < romanisch crispēna putreola ‘brüchiger Stein’ – der Berg liegt inmitten riesiger Trümmerhalden) oder Golemizíl ‘Mitterberg’ (< collis medialis o.ä.) oder Tschampedél-Alm bzw. Tschempedél (aus romanisch campitellu ‘kleines Feld’ zu campus ‘Feld’) bedeuten. Dazu kommen die Namenpaare wie Dorf und Fig (< vicus ‘Dorf’ Hofname Zöttl < slawisch se(d)lo ‘Dorf’) oder Ködnitz (~ slowenisch Kotnica zu kot ‘Winkel’) und Glor (< romanisch angulare ‘im Winkel’). Kals könnte somit ein Vorbild sein, Tourismus und Namenforschung miteinander zu verknüpfen. Daher könnte ich mir auch einen namenkundlichen Führer durch Kärnten vorstellen, der die entsprechenden Angaben liefert und in allgemein verständlicher Form die onomastischen Daten aus ganz Kärnten bietet, wodurch dem Leser zwanglos vor Augen geführt wird, dass es in ganz Kärnten deutsches und slowenisches Namengut gibt, mit einem nicht geringen Anteil älterer (v.a. übers Romanische vermittelter) Elemente. – Eine ähnliche Untersuchung wie in Kals wurde in einem kleineren Umfang in der Gössnitz (Heiligenblut) durchgeführt; ein namenkundlicher Führer Die Bergnamen der Hohen Tauern durch den Nationalpark Hohe Tauern ist im Vorjahr erschienen. 21 

Es gibt in Österreich eine ganze Reihe von Naturlehrpfaden, Kulturwanderwegen  und touristisch benannten Autostraßen, z.B. Karnische Dolomiten-Straße (entlang der Gail, Kärnten / Tirol), Salzburger Dolomiten-Straße (von Abtenau nach Bischofshofen, Salzburg) – mit einer großzügigen Auslegung des Begriffes Dolomiten (vgl. auch Lienzer Dolomiten) –, Steirische Schlösser-Straße (2Î Steiermark), Großglockner Hochalpen-Straße (Kärnten / Salzburg) mit den Flügeln Gletscherstraße (Kärnten) und Edelweißstraße (Salzburg) sowie die Niederösterreichische Barock-Straße. In Bayern fand ich sogar eine Bayerische Ostmarkstraße (seit einigen Jahren Bier- und Burgenstraße) – unwillkürlich fiel mir die Ostarrichi-Gedenkstätte in Neuhofen an der Ybbs (Niederösterreich) ein – warum keine Ostarrichi-Straße durchs liebliche Mostviertel? Wo der Name der Republik Österreich zum ersten Mal dokumentiert wurde. An diesem Ort beging man 1996 das „Millennium“, das eigentlich ein Namenstag war, aus welchem Anlass auch einige onomastische und viele historische Arbeiten entstanden sind. Zu den genannten Straßen gesellen sich in der Steiermark zwei Weinstraßen, die Sausaler Weinstraße und die Schilcher-Weinstraße sowie anderswo einige lokale Straßen wie die Villacher (Kärnten) und Gasteiner Alpenstraße (Salzburg). Solche namenkundlich ergänzte touristische Straßen und Wege könnten dazu beitragen, Orts­namen als prägenden Teil einer Kulturlandschaft zu begreifen und als immaterielles Kulturerbe wahrzu­nehmen.

Ich könnte mir also vorstellen, dass man auf solchen Wegen zusätzlich zu den biologischen und historischen auch namenkundliche Informationen bietet. Das Interesse an solchen Dingen ist nämlich bei der Bevölkerung weit größer  als man denkt, wie dies Anfragen immer wieder beweisen. 22  Um ein Beispiel zu bringen: der Plöschenberg bei Klagenfurt, wo sich ein schöner und anschaulich gestalteter Naturlehrpfad befindet. Dieser Pfad ist von Norden her auf einem Wanderweg von Viktring-Opferholz zu Fuß oder von Köttmannsdorf im Süden mit einem Fahrzeug erreichbar; namenkundlich findet sich hier alles, was Kärnten auch sonst zu bieten hat, der Name Plöschenberg selbst beruht auf slowenisch pleš oder pleša ‘kahle (baumlose) Stelle’, was auch auf Rodung hinweisen kann. Im Süden blickt man ins Rosental und in die Karawanken – beides vorslawische bzw. vordeutsche Namen, der Name Wurdach (slowenisch Vrdi) konnte bisher nicht gedeutet werden. Das Gebiet selbst gehört zum Höhenzug der Sattnitz (ein altes slowenisches Wort für ‘Gebirgsweg’ enthaltend), im Norden liegt das Keutschacher Seental. Der Name der Gemeinde Köttmannsdorf  ist ein deutsch-slowenischer Mischname, Keutschach selbst ist wie Mostitz, Dobein und Dobeinitz slowenischen Ursprungs, Höflein, Seebach und Opferholz sind wiederum deutsch; alle Objekte haben zwei Namen, je einen in der deutschen und slowenischen Sprache, so heißt das ganze Gebiet auf slowenisch Plešivec – ein mehrmals vorkommender Bergname, den man auch ‘Kahlenberg’ übersetzen könnte. So zeigt sich zwanglos das Ineinanderfließen zweier Sprach­gemeinschaften. Die entsprechenden Informationen könnten zusätzlich auf einigen der Info-Tafeln gegeben werden, v.a. auf den Übersichten und Aussichtspunkten. Die naturkundlichen Erläuterungen sollten dem Charakter des Lehrpfades entsprechend freilich im Mittelpunkt bleiben. 23  Eine sicher lohnende Aufgabe, um onomastisches Wissen weiteren Kreisen der Bevölkerung zugänglich zu machen.

Das Kulturgut Ortsname eignet sich nämlich nicht zur Beschaffung von politischem Kleingeld und sollte daher schleunigst aus dem Kärntner Kuriositätenkabinett herausgeholt werden. Unserem Namenschatz müsste in der österreichischen Bildungspolitik mehr Beachtung geschenkt werden, gehört es doch zu dem, was man „immaterielles Kulturerbe“ bezeichnet.

Weiterführende und zitierte Literatur

Gutsmann, Oswald, Deutsch-windisches Wörterbuch mit einer Sammlung der ver­deutschten windischen Stammwörter, und einiger vorzüglichern abstammenden Wörter. Klagenfurt 1789 [Dazu eine slowenisch-deutsche Umkehrung: Auf Slowenisch-Deutsch umgekehrt und bearbeitet von Ludwig Karničar. Graz 1999].

Kranzmayer, Eberhard, Ortsnamenbuch von Kärnten I-II. Klagenfurt 1956-1958.

NIKOLAY, Sabine, Der Kärntner Fürstensein im Bild. Darstellungen eines europäischen Rechtsdenkmales. Klagenfurt, Hermagoras 2010.

POHL, Heinz-Dieter, Die Bergnamen der Hohen Tauern (OeAV-Dokumente Nr. 6). Innsbruck, Österreichischer Alpenverein – Nationalpark Hohe Tauern 2009.

POHL, Heinz-Dieter, Unsere slowenischen Ortsnamen / Naša slovenska imena. Klagenfurt, Hermagoras 2010.

POHL, Heinz-Dieter im Internet: http://members.chello.at/heinz.pohl/Namen-Konflikt.htm

Zdovc, Pavel, Slovenska krajevna imena na avstrijskem Koroškem / Die slowenischen Ortsnamen in Kärnten. Wien-Klagenfurt 1993.

Zdovc, Pavel, Slovenska krajevna imena na avstrijskem Koroškem. Pregledana in preurejena ter z več sto jezikovnimi imenskimi podatki razširjena žepna izdaja. Celovec 2008.

 1      so DUDEN – Deutsches Universalwörterbuch.     <<<<<

 2      Bundesgesetzblatt Nr. 152 / 1955.     <<<<<

 3      Bundesgesetzblatt Nr. 396 / 1976.    <<<<<

 4      Auch in den zahlreichen Ortsnamen mit „Windisch…“ lebt diese Bezeichnung weiter; diese weisen auf (oft ehemalige slawische bzw.) slowenische Bevölkerung hin, im Gegensatz zu Namen mit „Deutsch…“ wie z.B. Deutschlandsberg (Steiermark) gegenüber Windisch Landsberg, heute Podčetrtek (Slowenien). Deutsch Windischgraz (Slowenien) heißt auf Slowenisch Slovenj Gradec im Gegensatz zur steirischen Landeshauptstadt Graz, die einst Bairisch Graz hieß. St. Michael am Zollfeld (Kärnten) hieß zur Zeit der Monarchie Deutsch St. Michael im Gegensatz zu Windisch St. Michael bzw. Slovenji Šmihel, heute St. Michael ob der Gurk bzw. Šmihel ob Krki (doch geläufiger ist wie auch früher die slowenische Bezeichnung Slovenji Šmihel). Bei allgemein bekannten Namen ist dann der Zusatz entfallen wie bei Graz, aber auch Deutsch-Griffen im Gegensatz zu Griffen (Kärnten) oder Windischgarsten und Garsten (Oberösterreich).
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 5      slowenisch Blažnja ves (oder vas), abgeleitet von blag ‘Richter, Verwalter, Edling’; in der Untersteiermark gab es ein zweites Blasendorf (so urkundlich 1440, ab 1450 Ambt­manstorff, d.i. ‘Dorf des Amtmannes’; das Wort Amtmann, in der Schweiz Ammann, entspricht in seiner Bedeutung dem alten slowenischen blag), heute Gojkova.     <<<<<

 6      Zur Rolle des Fürstensteins in Geschichte und Gegenwart vgl. die Monographie Nikolay 2010, dort auch viele Hinweise und Angaben zur Kontroverse bezüglich seiner Verwendung auf slowenischem Geld, dazu auch Pohl 2010, 46-49.    <<<<<

 7      dazu vgl. Pohl 2010, 83ff. – Ein Beispiel: dem urslawischen tj entspricht heute slowenisch č, in den Freisinger Denkmälern aber k (z.B. choku ‘ich will’, heute hočem), so auch in den ältesten Belegen von Ortsnamen, z.B. Radweg aus altem *Radovike, heute slowenisch Radoviče.    <<<<<

 8      Ein Beispiel: das Deutsche kannte ursprünglich kein tsch, ein slawisches č wurde bei früher Entlehnung ins Deutsche zunächst durch s wiedergegeben wie z.B. Sirnitz (Kärnten, urkundlich 985-93 Sirnvuiza) oder Sierning (Oberösterreich, urkundlich 791 Sirnicam), beides aus *čьrnica ‘Schwarzenbach’; wenn nun ein Ort wie Tscharniedling in Osttirol (< *čьrnidlo ‘schwarzer Ort’ + *-nikъ, ursprünglich wohl Hof- oder Flurname, ohne urkundliche Belege) ein tsch aufweist, zeigt dies, dass dort noch so lange slawisch bzw. slowenisch gesprochen wurde, so dass es im Deutschen entsprechend wiedergegeben werden konnte.    <<<<<

 9      Diese stammt aus dem 14. Jhdt., weist sprachlich aber ältere Züge auf (dazu Pohl 2010, 116-122).    <<<<<

 10     Übrigens haben auch rund 500 „Deutsche“ – aus welchen Gründen auch immer – für Jugoslawien gestimmt.    <<<<<

 11     Von den nationalbewussten Deutschen wie Slowenen wurden die „Windischen“ im wahrsten Sinne des Wortes misshandelt, indem die „Deutschen“ sie als „deutschfreundlich“ vereinnahm­ten und die „Slowenen“ sie als „Abtrünnige“ verstießen – zu sehr vermengte man Mutter­sprache und ethnisch-politisches Bekenntnis.     <<<<<

 12     dies kennt man ja auch aus dem österreichischen Deutsch, in das „bundesdeutsche“ Ausdrucksweisen immer mehr Eingang finden, z.B. Jungs und Mädels, Sahne, die Eins/Zwei, Treppe(nhaus)  usw.     <<<<<

 13     wir kennen dies ja auch aus der heutigen Diskussion um die Anglizismen im Deutschen.    <<<<<

 14      daher auch die Diphthongierung in der deutschen Bezeichnung des (Ossiacher) Tauern; hingegen ist der heutige deutsche Name Turia-Wald erst später aus dem Slowenischen ins Deutsche entlehnt worden.       <<<<<

 15      Genaueres in meinem Beitrag „Zum Namen der Tauern“ in Österreichische Namenforschung 37 (2009) 1-2 S. 100-104.    <<<<<

 16     so (neben Blikouc) bei Gutsmann im 18. Jhdt., bei Kranzmayer 1958, 72 Bolikovec.    <<<<<

 17     Zdovc 1993, 110 schreibt Blekóvc bzw. Belkóvc.    <<<<<

 18     vgl. Zdovc a.a.O.

 19     Alfred Ogris, Siedlungsgeschichte und Namenkunde am Beispiel des Kärntner Rosentales in Carinthia I 166 (1976) S. 155-178.    <<<<<

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 20     auf dem Symposion „Weiße Berge, blaue Seen und eine Rose“ – 100 Jahre Tourismus in Kärnten  (27./28. Juni 2002, veranstaltet vom Geschichtsverein für Kärnten, publiziert in Carinthia I 193 (2003) S. 461-662.
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 21     = Pohl 2009.    <<<<<

 22     ich bekomme viele Anfragen zu Namen aller Art, auch Familiennamen
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 23     dieser Naturlehrpfad selbst wird beschrieben von Helmut Zwander und Friedrich Hans Ucik, Naturlehrpfad Plöschenberg – Zwergohreule in Carinthia II 189/109 (1999), S. 161-200. – Das gesamte slowenische Namengut ist schriftsprachlich und mundartlich auf der von Vinko Wieser redigierten Karte „Kotmara vas / Köttmannsdorf“ (2008) vorbildlich zusammengestellt. Dieses wurde von der österreichischen UNESCO-Kommission ins Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich aufgenommen (im Internet unter http://nationalagentur.unesco.at/cgi-bin/unesco/element.pl?eid=12, Näheres zur Karte unter http://www.gorjanci.at/).     <<<<<


© zeitdokument / reinhard eberhart zum seitenanfang
 > inhaltsverzeichnis  > Heinz-Dieter Pohl - Das Slowenische – historisch die erste, heute die zweite Landessprache Kärntens