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KÄRNTEN 1990 – 2010: von Rudi Vouk 1990 war weltweit eine Zeitenwende: das Ende des Kommunismus, Demokratisierungsbewegungen überall, nicht nur in Osteuropa, von uns oft vergessen, auch in Afrika, Ende der Militärdiktaturen in Lateinamerika, alles schien so hoffnungsvoll, unmöglich, nicht an eine rosige Zukunft zu glauben. Und auch in Kärnten waren wir, damals junge Kärntner Slowenen, überzeugt, dass jetzt alles anders wird. Es gab positive Anzeichen: der Schulstreit der 80-er Jahre war gerade beendet, wir glaubten an einen neuen Dialog. Wir waren zwar sehr skeptisch, was die Beschickung des Beirates für die slowenische Volksgruppe betrifft, haben diesen Beirat aber sehr ernst genommen. Bundeskanzler Vranitzky war ein überzeugter Antifaschist und hat das auch gegenüber uns slowenischen Studenten in Wien klar zum Ausdruck gebracht. Slowenien wurde unabhängig, der »Urangst« sollte der Boden entzogen sein. Wir waren zwar nicht euphorisch, aber rückblickend gesehen nie zuvor und nie danach so überzeugt, dass eine Lösung der offenen Kärntner Minderheitenprobleme nicht nur möglich, sondern geradezu selbstverständlich sein muß. Es war eine schöne Welt, der Kalte Krieg beendet, die unüberwindbaren ideologischen Konflikte obsolet, alles könnte nur noch besser werden. Während meiner ganzen Jugend hat man mir gesagt und ich habe es geglaubt, dass das Minderheitenproblem in Kärnten ein Generationenproblem ist. Salopp gesagt: die Nazis und ihre Vorgänger haben die Gehirne einer ganzen Generation vergiftet, Kärnten leidet unter einer schon seit 1848 bestehenden deutsch-nationalen Tradition, welche dieses Land für »das Deutschtum« zu gewinnen trachtet. Aber das ist ein Programm der Vergangenheit, schon durch den Deutschnationalismus diskreditiert und durch die Nazis völlig unmöglich gemacht. Man soll dem Mensch nicht böse sein, sie wurden so erzogen und können nichts anders. Aber die Generation der 60-er Jahre, der flippigen 70-er Jahre, die Jungen, die haben mit den alten Zöpfen nichts mehr gemein, natürlich werden die alles anders machen. Selbstverständlich wird es ihnen eine Ehrensache sein, die Rechte der bislang unterdrückten Kärntner Slowenen, der ältesten noch vorhandenen ehtnischen Gruppe in Kärnten, zu achten und wieder herzustellen. Es ist alles nur eine Frage der Zeit, eine Generationenfrage. 20 Jahre später stellt sich das als ein großer, trauriger Irrtum heraus. Die Minderheitenfeinde von einst wußten wenigstens, dass die Kärntner Slowenen die ältere, schon weit über tausend Jahre im Land beheimatete Bevölkerungsgruppe sind. Sie hatten wenigstens eine Ahnung, dass man diesen Slowenen vor der Volksabstimmung 1920, im Staatsvertrag 1955 und danach in vielen Verhandlungen wenigstens irgendwelche Versprechungen gemacht hat. Die minderheitenfeindliche Generation 2010 weiß das nicht mehr: unfassbar häufig begegnet mir die Meinung, was diese nach dem Krieg zugewanderten Ausländer denn wollen, nicht genug, dass sie hier sein dürfen, jetzt wollen sie auch noch Minderheitenrechte. Mit solchen Leuten kann man nicht diskutieren, weil es wegen fehlender grundlegender Information kein Verständnis geben kann. Und in einer Athmosphäre des völlig fehlenden Verständnisses ist eine Lösung von Minderheitenproblemen Illusion. Die Kärntner Medien tragen dabei oft mehr zur weiteren Verblödung als zur notwendigen Informiertheit bei. Was zu tun wäre, ist heute, 2010, viel klarer als es 1990 war. Die Schuldebatte war 1990 gerade erst ausgestanden, heute ist die zweisprachige Schule eine angenommene Schulform, mit welcher Kärnten seine Potentiale nutzen und ausbauen könnte. Statt dessen geschehen Gehässigkeiten, wie in Diex 2009, parteipolitische Direktorenbesetzungen, es gibt noch immer keine Regelung über zweisprachige Kindergärten, die Zweisprachigkeit im Bildungsbereich ist nach wie vor ein Stiefkind, obwohl die Bevölkerung heute wahrscheinlich bereit wäre diese anzunehmen. Eine Regelung der Amtssprachenfrage, der Topographiefrage, der Frage der Vertretung der Volksgruppe, der Einbindung ihrer Kultur usw., das alles wäre in den letzten 20 Jahren zu lösen gewesen, man hat es zu lösen versäumt. Dabei sind die Jahre 1990 – 2010 in Kärnten mit einer Person und ihren Anhängern verbunden, Jörg Haider und seinen Erben. Haider hat alle anderen Parteien vor sich hergetrieben, sie haben sich von ihm einschüchtern lassen bis zur Bewegungslosigkeit. In Volksgruppenfragen hat keine der anderen Kärntner Parteien sich getraut die Initiative zu ergreifen, wenn Haider dies nicht befürwortete. Insofern sind alle Kärntner Parteien auch für den derzeitigen Zustand der Kärntner Volksgruppenpolitik verantwortlich. Für die Kärntner Slowenen waren die Jahre 1990 bis 2010 verlorene Jahre. Nichts, was man heute als offene Frage der Kärntner Slowenen diskutiert, war nicht bereits 1990 eine offene Frage, Kärnten hat im Zusammenleben der beiden Volksgruppen in 20 Jahren gar nichts weitergebracht, bis auf viele Kränkungen. Wenn man nun herangeht die teilweise kriminelle Vergangenheit der Kärntner Politik in den letzten Jahren aufzuarbeiten, sollte man nicht vergessen, dass die Diskriminierung der Volksgruppe zumindest für ihre Angehörigen als genauso kriminell empfunden wird. Conclusio: der große Optimismus aus 1990 ist immer mehr einem Nihilismus gewichen, welcher selbst am Rechtsstaat zweifeln läßt, so dass die Zukunftsperspektive, wenn man eine Essenz dieser 20-er Jahre zieht, düster ist. Es sei denn, wir alle Kärntner erklären diese 20 Jahre Minderheitenpolitik zum Albtraum, den wir gemeinsam vertreiben und bewältigen wollen. |
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